Vor dem Hintergrund zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung, wachsendem Populismus und Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien wird auch an Träger der Kultur-, Demokratie- und Jugendarbeit die Forderung nach Einhaltung parteipolitischer Neutralität gestellt.
Doch wie ist das Neutralitätsgebot zu verstehen? Dieser Frage ging eine Veranstaltung des Kulturrat NRW nach. Dabei kamen Prof. Dr. Friedhelm Hufen, emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz a.D., sowie der Robert Zeigermann, freier Autor und Regisseur, zu Wort. Und sie blickten – naturgemäß – aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Thema.
Wie politisch darf Kunst sein? Darf sie aggressiv sein, übertreiben, die Wirklichkeit verzerren, politische Akteure und Parteien karikieren? Sie darf – jedenfalls meistens. Hufen, der kürzlich ein umfängliches Gutachten zum Neutralitätsgebot vorgelegt hat, unterstrich in seinem Vortrag, dass der Bezugsrahmen des Neutralitätsgebots im parteipolitischen Kontext liegt. Im Kern, so Hufen, ginge es um die Chancengleichheit politischer Parteien, insbesondere vor Wahlen.
Vor diesem Hintergrund sei ein Verstoß der Kunst gegen das Neutralitätsgebot kaum denkbar, so Hufen. Es handele sich um einen der am stärksten missverstandenen und missbrauchten Begriffe. Denn gerade radikale politische Parteien und wachsender Populismus führten sie zu Felde, um politisch engagierte Kunst in ihrer Legitimität infrage zu stellen – insbesondere dann, wenn sie mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.
Robert Zeigermann, Theatermann und Autor, unterstützte diese Einschätzung: „Neutralität ist ein Instrument eines extrem rechten Kulturkampfes.“ Sachliche Kritik werde umdefiniert in angeblich unrechtmäßige Angriffe auf die eigene Sache – und damit zu einem Versuch, der Kritik an politischen Positionen oder Aussagen zu entkommen. „Die Neutralität wird herangezogen, um das Underdog-Narrativ extrem rechter Akteure und Parteien zu nähren.“
Zeigermann setzt sich in seiner Kunst ebenso kritisch wie kreativ mit Populismus und Rechtsextremismus auseinander. So führte er im Saalbau Witten eine Performance durch, um das Haus nach einer Veranstaltung der AfD rituell zu reinigen.
Seine Empfehlung: Netzwerke bilden und ins Handeln kommen. Demonstrationen, wie wir sie im Januar 2024 als Reaktion auf die Enthüllungen der Correctiv-Recherchen gesehen haben, reichten nicht aus.