Der Januar steht bei uns ganz im Zeichen der Jury-Arbeit. Aber wie laufen die Sitzungen eigentlich ab, wie werden Entscheidungen getroffen? Wie setzen sich die Jurys zusammen? Darüber haben wir mit Hendrik, Carsten und Lea aus dem Programmteam von Soziokultur NRW gesprochen.
In der kommenden Woche starten die ersten Jury-Sitzungen. Über wie viele Anträge wird da gesprochen?
Carsten: In den Programmen Allgemeine Projektförderung und Transkultur werden traditionell viele Anträge gestellt: Bei den Jury-Sitzungen werden wir über 118 Anträge (Allgemeine Projektförderung) bzw. 61 Anträge (Transkultur) beraten. In der Kulturellen Bildung – einem Programm, das sich an Mitglieder von Soziokultur NRW richtet – geht es um 28 Anträge. Wir lesen also gerade sehr viel!
Wie setzen sich die Jurys zusammen?
Hendrik: Wir besetzen die Jurys jeweils mit fünf bis acht mit Expert*innen aus Theorie und Praxis. Dabei achten wir darauf, dass sie vielfältig aufgestellt sind und verschiedene berufliche Hintergründe, Arbeitsfelder, künstlerische Sparten vertreten sind. Außerdem bemühen wir uns um divers besetzte Jurys, also möglichst unterschiedliche Köpfe im Hinblick auf Herkunft, Alter, soziale Herkunft, Geschlecht und geschlechtliche Identität. Und wir sorgen dafür, dass sowohl alte Häsinnen und Hasen in den Jurys zu finden sind ebenso wie Neuzugänge. Jedes Jury-Mitglied darf bis zu drei Jahre in einer Jury mitarbeiten.
Wie schließt ihr aus, dass Jury-Mitglieder über Projekte entscheiden, in die sie selbst eingebunden sind?
Hendrik: Als befangen gilt eine Person aus der Jury, wenn sie in das beantragte Projektvorhaben involviert ist oder bei der antragstellenden Organisation bzw. Initiative angestellt oder aktiv ist. Bei Unklarheiten sprechen wir das vor der Jury-Sitzung an.
Befangene Jury-Mitglieder dürfen Anträge nicht bewerten. In diesem Fall wird bei dieser Stimme der Durchschnittswert aller anderen Bewertungen auf den Antrag übertragen.
Wie sind die Jury-Sitzungen organisiert?
Lea: Zur inhaltlichen Vorbereitung stellen wir den Jury-Mitgliedern möglichst schnell die Anträge inkl. Kosten- und Finanzierungsplänen zur Verfügung. Manchmal geht es dabei um 120 bis zu 180 Anträge, es braucht also einen gewissen Vorlauf!
Um den Jurys die Arbeit zu erleichtern, setzen wir auf die Vermittlung von Expert*innenteams: Jedes Jury-Mitglied bekommt eine bestimmte Anzahl an Projekten zugewiesen, mit denen es sich intensiver auseinandersetzen soll. Die Vorstellung dieser Projekte in den Jurys erfolgt dann in Zweier-Tandems, das macht den Austausch lebendiger. Jedes Projekt wird von einem Tandem vorgestellt, anschließend öffnet sich die Diskussion für alle Jury-Mitglieder. Am Schluss stimmen die Jury-Mitglieder anonym über jedes einzelne Projekt ab. Die an den Jurys teilnehmenden Teammitglieder der Geschäftsstelle von Soziokultur NRW haben kein Stimmrecht. Und die bei den Mitgliederprogrammen anwesenden Vertreter*innen aus dem MKW und der Bezirksregierung ebenfalls nicht, sie haben eine beratende Funktion.
Welche Bewertungskriterien werden bei den Entscheidungen zugrunde gelegt?
Carsten: Alle Projekte müssen logischerweise soziokulturellen Kriterien genügen: Das heißt, Partizipation und die Möglichkeit der Teilnehmenden, das Projekt aktiv mitzugestalten, sind ein Muss. Projekte sollten niedrigschwellig sein, vielfältige Perspektiven berücksichtigen und ebenso diverse Zielgruppen ansprechen. Thematisch stehen gesellschaftspolitische Fragestellungen im Mittelpunkt. Dabei müssen nicht alle Kriterien gleichzeitig erfüllt werden.
Und ganz wichtig: Alle Projekte müssen künstlerische Mittel zur Umsetzung, Ausgestaltung oder Konzeption einbinden. Rein künstlerische Projekte fördern wir nicht.
Hendrik: Die Jurys sind angehalten, auch Standort- und Strukturfaktoren in die Bewertung von Projekten mit einzubeziehen. Förderungswürdige Projekte im ländlichen Raum können z.B. anders aussehen als Projekte in Ballungszentren. Denn die Fragestellungen, der Alltag der Teilnehmenden und ihre Bedarfe können ja je nach Region oder Stadt sehr unterschiedlich sein.
Bei den Mitgliederprogrammen stellen wir den Jurys außerdem Informationen zum aktuellen Status der antragstellenden Häuser bereit: Sind sie in einer Umbruchphase, bspw. weil ein Generationenwechsel im Team ansteht? Oder handelt es sich um ein Haus, das vor allem von jungen Künstler*innen und Kreativen geprägt ist – und das sich dementsprechend mit anderen Herausforderungen beschäftigt?
Carsten: Die Jurys sind außerdem angehalten, auf eine große Bandbreite der Projekte zu achten, damit einzelne Themen nicht überrepräsentiert sind. Auch die künstlerischen Sparten, die vertreten sind, sollten möglichst vielseitig sein – oder die Projekte an den Schnittstellen zu anderen Kunstformen liegen, was sehr typisch ist für die Soziokultur.
Wie ist die Jury-Arbeit für euch?
Lea: Die Arbeit ist intensiv, aber wir freuen uns immer sehr darauf! Es ist unglaublich inspirierend, mit so vielen tollen Ideen in Berührung zu kommen, manche Projekte sind einfach nur umwerfend! In diesem Jahr haben wir erstmalig die Rubrik “Herzensprojekte” eingeführt, um zu erfahren, welche Anträge die Jury-Mitglieder ganz besonders fasziniert haben. Denn das wird in den Jury-Sitzungen auch immer deutlich: Alle sind mit unfassbar viel Herzblut dabei – das gilt sowohl für die Antragstellenden als auch für die Jury-Mitglieder!
Herzlichen Dank für diese Einblicke – und gute Jury-Sitzungen!