Von Heike Herold
Soziokulturelle Methoden erleben in den letzten Jahren einen Höhenflug. Dort, wo Publikum abhandenkommt, Köpfe silbern schimmern, Inklusion nicht mehr nur den Zugang zum Gebäude meint und künstlerische Exzellenz breitenkultureller gedacht wird, findet plötzlich „Partizipation“ statt. Es gibt ein neues Bemühen, das Publikum in die kulturelle Produktion und Präsentation einzubeziehen.
Genau hierum geht es in der Soziokultur seit 50 Jahren – und dabei ist viel mehr als nur eine Methode gemeint. Überzeugte Weltverbesserer*innen haben bereits vor Jahrzehnten ein komplexes System kultureller Einrichtungen gegründet, aufgebaut und standortsensibel verstetigt. Sie haben Begegnungsräume zur Verfügung gestellt, künstlerische Praktiken verändert, Demokratiebildung etabliert, Stadtentwicklung betrieben und Kulturpolitik beeinflusst. Diese Strukturen werden gerade an die nächste Generation überantwortet. Trotz aller Unkenrufe ist diese umweltbewusst, an guter Arbeit und Gemeinschaft interessiert, kooperativ und sehr reflektiert. Selbstbewusst spricht sie von „transformativer Soziokultur“.
Teil dieser Transformation ist eine faire Finanzierung. Denn ein Großteil der Soziokultur ist trotz ihrer gesellschaftlichen Bedeutung chronisch unterfinanziert. Die meisten Zentren erwirtschaften einen Großteil ihrer Mittel selbst, viele sind fortwährend damit beschäftigt, Projektmittel zu akquirieren, um den Kulturbetrieb aufrechtzuerhalten. Professionalisierung? Erneuerung? Entwicklung? Nur auf eigene Gefahr!
Dies ist umso bedenklicher, als gerade diejenigen, die gemeinwohlorientierte Arbeit leisten, diesen Unsicherheiten ausgesetzt sind und ihr Personal oft genug nicht fair bezahlen können. Verlässliche Förderer sind oftmals allein die Kommunen – und deren Mittel reichen bei Weitem nicht aus.
Um den Einrichtungen der Soziokultur eine langfristige Planungssicherheit zu bieten, hat Soziokultur NRW die Idee einer Landesstrukturförderung aufgebracht. Modelle mit ähnlicher Architektur gibt es bereits: In Baden-Württemberg werden soziokulturelle Zentren von jeher institutionell gefördert, in Hessen seit 2016 mit einem Instrument zwischen Projekt- und institutioneller Förderung. In Thüringen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es Programme, die der Konzeptförderung von Soziokultur NRW ähneln.
Die Forderung nach einer Kulturförderung, die die historischen Prägungen überwindet und auch Praxisformen wie diejenigen der Soziokultur gleichberechtigt finanziert, wird von Soziokultur NRW seit Langem erhoben. Mit dem Kulturgesetzbuch und dem Koalitionsvertrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung sind im Jahr 2022 wichtige Grundlagen zur finanziellen Planungssicherheit der kulturellen Infrastruktur auch für die freie Szene geschaffen worden. Eine neue Förderarchitektur könnte folgen.
Erste Schritte auf diesem Weg sind für die Soziokultur gemacht: Anfang 2023 fand eine Klausurtagung zwischen dem Vorstand und der Geschäftsstelle von Soziokultur NRW sowie dem zuständigen Referat des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen statt. Dabei wurden verschiedene mögliche Ansätze einer Strukturförderung diskutiert. Ausarbeitung und Abstimmung des Konzepts sind noch nicht abgeschlossen, aber so viel lässt sich sagen: Das Referat hat dieses aufgegriffen und entwickelt es weiter.
Im Zentrum der Strukturförderung steht eine erweiterte Konzeptförderung, die zur Stabilisierung der Mitgliedszentren im Landesverband beiträgt. Dies wird erreicht, indem auch Personal und Programm des alltäglichen Betriebs sowie Aus- und Fortbildungen gefördert werden können. Damit kann das Fördermodell einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Organisationsstrukturen zu stabilisieren, Weiterentwicklung zu ermöglichen sowie Profilbildung und Professionalisierung zu unterstützen.
Es gibt aber noch mehr Effekte: Eine umfassende, langfristiger angelegte Programmlinie macht das Förderportfolio übersichtlicher. Es erleichtert Zugänge und vermindert den bürokratischen Aufwand für alle Beteiligten.
Eine weitere positive Folge der Strukturförderung ist die Anerkennung der Einrichtungen der Soziokultur durch die Kommunen. Bisherige Förderungen werden verstetigt, neue möglicherweise zur Verfügung gestellt. Das ist gut und wichtig, denn Einrichtungen von gesellschaftlicher Relevanz müssen weiterhin gestärkt werden. Diese Aufgabe ist angesichts der zunehmenden Angriffe auf die Demokratie heute wichtiger denn je.
Dieser Text ist ein Auzug aus dem Jahresbericht 2022/23 von Soziokultur NRW. Er steht zum Download zur Verfügung und kann in gedruckter Form bestellt werden per Mail an lag@soziokultur-nrw.de.