Impulse für alle beim Zukunftskongress von Soziokultur NRW

Beitrag von Inken Kiupel | SOZIOKultur 2/2023.

Am Ende steht sie da: eine glitzernde Sektpyramide, umschwirrt von Reflexen des Scheinwerferlichts. Überfluss, Ausgelassenheit, Feierstimmung – und das in der Soziokultur? Wo vieles improvisiert ist, weitab von Luxus und Glamour? Auf der Versammlung der Wünsche, dem Zukunftskongress der LAG Soziokultureller Zentren NRW (Soziokultur NRW) im Januar 2023, war vieles anders als sonst: ungewöhnliche Gesprächsanlässe, künstlerische Impulse und überraschende Momente sollten den Tag ausmachen. Raus aus der Bubble, weg von den ausgetretenen gedanklichen Pfaden!

Zukunftskongress in Nordrhein-Westfalen

200 Akteur*innen aus den soziokulturellen Zentren, freier Kulturszene, Verbänden, Politik und Verwaltung hatten sich im Ringlokschuppen Ruhr versammelt, um über die Soziokultur ins Gespräch zu kommen. Auf welche Arbeitsweisen, Werte und Prinzipien können wir uns heute verständigen? Was bedeutet Soziokultur im 21. Jahrhundert? „Soziokultur neu denken!“ lautete der programmatische Untertitel zur Veranstaltung.

Viele soziokulturelle Häuser in NRW blicken auf eine lange, erfolgreiche Geschichte zurück. Gründungsmitglieder gehen in den Ruhestand, junge Kolleg*innen übernehmen. Schaute man sich auf der Versammlung der Wünsche um, scheint der Übergang geglückt: Viele junge Menschen kamen hier zusammen, um über die Zukunft der Soziokultur zu sprechen. Und über ihre eigenen Themen.

Performative Impulse

Das Kongressprogramm hatten viele von ihnen mitgestaltet: Bereits im Vorfeld hatten sie in Interviews ihre Wünsche für die Soziokultur formuliert. Diese fanden ihren Niederschlag im Programm des Kongresses.

Mit dessen Konzeption und performativer Umsetzung war die Kulturwissenschaftlerin und Künstlerin Sibylle Peters aus Hamburg betraut worden. Sie gestaltete den Tag mit ihrem Team als performative Inszenierung und machte so erlebbar, wie fruchtbar künstlerische Impulse für die soziokulturelle Arbeit sein können.

Die Themen des Zukunftskongresses waren dabei keine Leichtgewichte: So standen Diskussionen über den Wissenstransfer zwischen den Generationen auf dem Programm oder der Wunsch nach einer Zukunftsakademie für kollegiale Vernetzung, Entwicklung und Qualifikation. Auch die Stärkung der Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb wurde rege diskutiert. Mit Blick auf die Demokratiearbeit, ein Kernthema der Soziokultur, stand die Re-Politisierung im Fokus, die gerade viele Häuser erfasst und – bspw. in der zentrenübergreifenden Initiative „Politisiert euch!“ – ihren Ausdruck findet.

Vertieft wurden all diese Themen in einem Workshop-Programm, angeleitet von Künstler*innen, die an der Schnittstelle von Kunst und Aktivismus arbeiten. Wie können wir Entscheidungsprozesse kreativer und inklusiver gestalten? Wie können Angebote und Teams noch diverser werden? Alle Workshops machten konkrete Vorschläge für Experimente in der soziokulturellen Arbeit. Sie sind auf der Versammlungswebsite dokumentiert.

Appell an die Politik

Doch auch politische Forderungen wurden bei der Versammlung der Wünsche laut. „Wir brauchen dringend kontinuierliche Unterstützung für Personal, Programm und Betriebskosten der Zentren, wenn wir die soziokulturelle Landschaft NRW erhalten wollen“, unterstrich Heike Herold, Geschäftsführerin von Soziokultur NRW. Eine Strukturförderung, die in Ländern wie Hessen, Baden-Württemberg oder Hamburg bereits erfolgreich etabliert wurde und dort für wesentlich bessere Ausgangsbedingungen sorgt, könne hier Abhilfe schaffen. Die Forderung danach war ein zentrales politisches Anliegen der Versammlung der Wünsche.

Das Manifest der Soziokultur in NRW

Die Forderungen aus den Interviews mit Akteur*innen der Soziokultur hatte Sybille Peters in einem Entwurf für ein Manifest zusammengefasst. Nach einer Live-Diskussion wurde das Manifest der Soziokultur in NRW verabschiedet und der Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Gonca Türkeli-Dehnert, überreicht.

„Wir haben Ihre große Verantwortung auch in der Pandemie sehr wohl wahrgenommen. Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz!“, rief diese den Anwesenden zu. Kurt Eichler vom Fonds Soziokultur drückte ebenfalls seine Wertschätzung aus und beglückwünschte die Szene in NRW dazu, dass das Kulturgesetzbuch des Landes Nordrhein-Westfalen die Soziokultur mit einem eigenen Paragraphen fest im Blick habe.

Diskussionsforum, Performance, Experimentierort für unterschiedliche künstlerische Formate und Bühne für politische Forderungen – die Versammlung der Wünsche war vieles davon. Nun geht es darum, diese Fäden weiterzuführen, nicht zuletzt im Dialog mit der Politik über eine strukturelle Förderung der Soziokultur auch in Nordrhein-Westfalen. Würde diese eingeführt, wäre ein Meilenstein erreicht. Die Versammlung der Wünsche hätte vielleicht ihren Anteil daran.

Zum Manifest und zur Dokumentation der Versammlung der Wünsche: https://versammlung.soziokultur-nrw.de

Die Ausgabe 2/2023 des Magazins SOZIOKultur zum Thema Audio findet sich hier zum Download.