Beitrag von Corinne Eichner, Vorstand Bundesverband Soziokultur e.V.
Der Soziokultur wird eine große Bedeutung beim Einsatz für den Zusammenhalt der Gesellschaft zugeschrieben. Man traut ihr eine Antwort auf fast alle gesellschaftlichen Problemlagen zu, seien es gelingende Integrationskonzepte, Angebote für Geflüchtete, Programme für die kulturelle Bildung und die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, kulturelle Teilhabe, Erinnerungskultur oder Bildung für alle – um nur einige zu nennen.
Komplexe Aufgaben
Doch die materielle und personelle Situation der allermeisten soziokulturellen Einrichtungen ist äußerst prekär und entspricht kaum ihren Leistungen. Ihre Beschäftigten stehen heute hochkomplexen Aufgaben gegenüber, die sie mit ebenso komplexen, professionellen Mitteln bewältigen und für die sie häufig eine akademische Ausbildung oder ein entsprechendes Maß an Erfahrung benötigen. Viele Aufgabenbereiche gehen mit großer Verantwortung einher. Die Bezahlung ist jedoch fast nie mit der Entlohnung in anderen Branchen vergleichbar und entspricht in keiner Weise dem anspruchsvollen Aufgabenprofil. Gibt es eine Anlehnung an ein Tarifsystem, dann an eine der niedrigeren Tarifgruppen. Auch unbezahlte Mehrarbeit ist weit verbreitet. Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld sind alles andere als die Regel. Gleichzeitig führen die vielen Überstunden, die nur zu einem Teil ausgeglichen werden können, zu einer gesundheitsgefährdenden Überlastung. Befristungen sind angesichts der verbreiteten Projektförderungen die Regel. Nach dem aktiven Arbeitsleben und vielen Jahren Engagement droht dann auch noch die Altersarmut. Wie so oft sind die Frauen besonders betroffen, denn sie machen einen hohen Anteil der Beschäftigten in der Soziokultur aus und akzeptieren besonders häufig Teilzeitbeschäftigungen.
Professionelles Engagement kann nicht umsonst sein
Wer sich entscheidet, in der Soziokultur zu arbeiten, will etwas für die Gesellschaft tun und glaubt fest an die positive Wirkung von Kultur, Teilhabe und Zusammenhalt. Menschen, die diesen Weg gehen, sind hoch engagiert, stark intrinsisch motiviert und gewohnt, kreativ und professionell mit begrenzten Mitteln ein Maximum an Wirkung und Programm zu erzeugen. Ich habe im Laufe meiner Arbeit für die Soziokultur viele von ihnen kennengelernt. Sie übernehmen jederzeit auch Zusatzaufgaben und achten selten darauf, ob wieder ein paar Überstunden anfallen. Doch gerade die exzellent ausgebildeten jüngeren Kolleg*innen vergleichen sich irgendwann mit Freund*innen mit gleicher Qualifikation und oft geringerem Verantwortungsbereich und stellen fest, dass sie deutlich kleinere Summen auf ihrem Gehaltszettel finden. Das führt zu Frustration und Empörung und zu einem zermürbenden Gefühl der Ausbeutung.
Der Generationenwechsel verschärft die Lage
Immer schwerer wird es deshalb für die Einrichtungen der Soziokultur, angesichts des Generationenwechsels beim Wettbewerb um qualifizierte Bewerber*innen Nachwuchs zu finden, der unter diesen Bedingungen überhaupt anfangen will. Und diejenigen, die mit viel Enthusiasmus und guter Ausbildung in der Soziokultur in ihr Arbeitsleben starten, geben häufig spätestens dann auf, wenn sie merken, dass Aufstiegsmöglichkeiten und Bezahlung in anderen Branchen deutlich besser sind – und sie mit den gesammelten Arbeitserfahrungen sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Ihr Potential und der Aufwand für ihre Einarbeitung sind dann für die Soziokultur verloren.
Investition in qualifiziertes und leistungsfähiges Personal wird sich auszahlen
Das krasse Missverhältnis zwischen den Erwartungen an die Soziokultur und ihren Ausstattungsbedingungen, zwischen den Ansprüchen, die an die Beschäftigten gestellt werden, und ihrer Entlohnung führt auf lange Sicht zu einer Aushöhlung und Schwächung der Einrichtungen. Besonders in diesen schwierigen Zeiten brauchen wir jedoch eine angemessene und vergleichbare Entlohnung der Beschäftigten und faire Arbeitsbedingungen, damit die Soziokultur ihre immer wichtigeren, weiter wachsenden Aufgaben bewältigen kann. Gerade angesichts multipler Krisen darf deshalb keinesfalls an der Soziokultur gespart werden, es muss im Gegenteil dringend in ihre Förderung und in ihre hochqualifizierten und leistungsfähigen Beschäftigten investiert werden, damit sie ihre große Wirkung für die Kultur und den Zusammenhalt der Gesellschaft entfalten kann.