Förderhandeln von Soziokultur NRW in den Jahren 2022/2023

Von Hendrik Stratmann, Carsten Nolte und Lea Hahn

Soziokulturelle Praxis dient der Entfaltung der ästhetischen, kommunikativen und sozialen Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Bürger*innen und leistet damit einen Beitrag zu Erhaltung und Ausbau der kulturellen Chancengleichheit und der demokratischen Kultur.

Um dies zu unterstützen, vergibt Soziokultur NRW Fördermittel des Landes NRW in sechs verschiedenen Programmlinien. Die Förderprogramme Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Projektarbeit stehen allen Antragstellenden offen, während in den Programmen für kulturelle Bildung, Kooperationsförderung, Investitionsförderung und Konzeptförderung ausschließlich Mitglieder von Soziokultur NRW eine Förderung beantragen können.

Alle Förderentscheidungen werden von unabhängigen Jurys getroffen, die mit Expert*innen aus der freien Szene, aus Mitglieds- und Facheinrichtungen sowie aus verschiedenen Spartenverbänden besetzt sind. Zusätzlich zur fachlichen Qualität der Anträge haben sie stets auch die Erfüllung soziokultureller Kriterien im Blick. Die Kriterien entsprechen den Bestimmungen des Kulturgesetzbuchs NRW.

Förderpolitische Trends

Das Jahr 2022 war in allen Programmlinien noch stark von der Corona-Pandemie gezeichnet. Noch immer standen soziokulturelle Initiativen und Einrichtungen vor der Herausforderung, ihre Projekte an wechselnde Rahmenbedingungen anzupassen. Dabei legten sie eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit und Beharrlichkeit an den Tag und konnten vielfach ihre Angebote, teils in digitaler Form, aufrechterhalten. Während der Pandemiejahre musste keines der Mitgliedszentren von Soziokultur NRW schließen – eine großartige Leistung.

2023 stellte sich die Situation nicht weniger problematisch dar: Denn während der Pandemie hatten sich viele qualifizierte Fachkräfte beruflich umorientiert, sodass es zu Engpässen beim Personal kam. Noch stärker wirkten sich jedoch die massiven Kostensteigerungen infolge des Ukraine-Kriegs, der Energieversorgungskrise und der allgemeinen Inflation aus.

Der Beratungsbedarf vonseiten der Antragstellenden hat programmübergreifend in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Soziokultur NRW bietet deshalb bereits im Vorfeld von Ausschreibungen verschiedene Beratungsformate an, die auf ein großes positives Echo stoßen.

Digitale Geschäftsstelle

2023 konnte die Geschäftsstelle von Soziokultur NRW mit einer Förderung durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) die Digitalisierung der Antragstellung und Antragsverwaltung vorantreiben. So wurde ein neues, digitales Antragsportal entwickelt, das eigens auf die Prozesse von Soziokultur NRW zugeschnitten ist. Es kam erstmalig im Herbst 2023 bei der Ausschreibung der Förderprogramme Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Projektarbeit zur Anwendung und erleichtert die Bearbeitung der Anträge immens. Auch ein Buchungssystem für Beratungstermine konnte 2023 in Betrieb genommen werden: Individuelle Beratungen zu Antragsideen oder zu Fragen etwa bei der Abrechnung von Projekten lassen sich nun einfach über die Website buchen. Nach dem Start in der Allgemeinen Projektförderung sollen künftig auch die anderen Förderprogramme von Soziokultur NRW digitalisiert werden. Bereits jetzt zeichnet sich ab, wie groß die Erleichterungen in der Antragstellung und Antragsverwaltung für die Geschäftsstelle sind.

Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Projektarbeit

Die Programme Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Projektarbeit ermutigen Kulturinitiativen, Künstler*innen und Kollektive, engagierte Einzelpersonen und (etablierte) Einrichtungen,  Vorhaben mit einem gemeinwohlorientierten Konzept oder künstlerisch-partizipativen und gesellschaftlich-reflexiven Ansätzen zu entwickeln. Transkulturelle Projekte verhandeln die Frage, wie wir künftig unter Beachtung der vielfältigen Diversitätsdimensionen zusammenleben wollen.

Zusätzlich zum regulären Fördergeschäft in diesen Programmlinien übernahm Soziokultur NRW 2022 die Vergabe von Sondermitteln für Projekte mit Ukraine-Bezug. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) kurzfristig Gelder zur Unterstützung von ukrainischen Künstler*innen zur Verfügung gestellt.

Vielfältige Projekte in der Förderung

Das Jahr 2022 stand in Teilen noch unter erheblichem Einfluss der abklingenden Corona-Pandemie. Viele Projekte fanden im Digitalen statt oder waren auf eine verringerte Teilnehmendenzahl  ausgelegt. Seit 2023  bespielten die  Projekte wieder vermehrt physisch erlebbare Räume. So konnten beispielsweise viele Workshops der kulturellen Bildung, Stadtteil-Entwicklungsprojekte, Diskussionsveranstaltungen von Nahost bis Nachhaltigkeit,  Musikfestivals  im ländlichen  Raum wie auch eine wachsende Anzahl von Projekten aus der LGBTQ+-Community live und vor Ort stattfinden. Die geförderten Vorhaben waren dabei enorm vielfältig und spartenübergreifend. Sie richteten sich an diverse Zielgruppen und erzeugten so eine größere Sichtbarkeit für die unterschiedlichsten Themen und Teilnehmenden.

Die Programmlinien Allgemeine Projektförderung und transkulturelle Projektarbeit werden zusammen bearbeitet. 2022 wurden insgesamt 261 Vorhaben mit einem Förderbedarf in Höhe von 2,22 Mio. Euro beantragt – so viele wie nie zuvor. 108 Vorhaben konnten mit einer Gesamtsumme in Höhe von 912.510 Euro gefördert werden, darunter zwölf im Rahmen der Ukraine-Sondermittel und 23 Projekte von Mitgliedseinrichtungen von Soziokultur NRW. Auf Letztere entfielen 15 Prozent bzw. 25 Prozent der Anträge in den Jahren 2022 bzw. 2023.

Die hohe Nachfrage nach Fördermitteln setzte sich 2023 fort: Allein in der ersten Ausschreibungsrunde 2023 gingen 179 Anträge mit einem Förderbedarf von 1,85 Mio. Euro ein. Die durchschnittliche Höhe der beantragten Fördersummen pro Projekt stieg von knapp 8.500 Euro (2022) auf 9.500 Euro (2023). Aber auch das Gesamtkostenvolumen aller beantragten Projekte erreichte mit 4,72 Mio. Euro fast den Stand der beiden Förderrunden 2022 (5 Mio. Euro).

Angesichts dieser Antragssituation hätten viele hochwertige Jahresprojekte bei der Vergabe der Mittel im Jahr 2023 nicht berücksichtigt werden können. Soziokultur NRW entschied sich deshalb in Absprache mit dem MKW und der Bezirksregierung Münster, die Fördermittel in nur einer Ausschreibungsrunde zu verausgaben und die zweite Runde auszusetzen. 87 Vorhaben, darunter 30 von Mitgliedseinrichtungen, wurden mit insgesamt 822.400 Euro gefördert. Das Feedback aus der Szene war jedoch eindeutig: bitte künftig die zweite Ausschreibungsrunde beibehalten!

Sondermittel für Projekte mit Ukraine-Bezug

Zur Unterstützung von ukrainischen Geflüchteten und Künstler*innen stellte das MKW 2022 Sondermittel für die zweite Jahreshälfte bereit. Die freie Szene und viele Kultureinrichtungen reagierten schnell und ermöglichten ukrainischen Künstler*innen Auftritte auf Festivals, in Clubs und soziokulturellen Einrichtungen. Gleichzeitig entstanden viele Orte für Begegnung, Austausch und Hilfe: Niedrigschwellig angelegte Betreuungsangebote, künstlerische Projekte für Kinder, Diskussions-und Informationsabende zum Ukraine-Krieg sowie Kultur- und Solidaritätscafés unterstützten Geflüchtete und andere Menschen, die von den Folgen des Ukraine-Kriegs direkt betroffen waren.

Kulturelle Bildung in der soziokulturellen Praxis

Seit 2017 fördert Soziokultur NRW Projekte der kulturellen Bildung. Eine wissenschaftliche Begleitung der geförderten Projekte im Zeitraum von 2017 bis 2019 befasste sich mit den Chancen und Herausforderungen der kulturellen Bildungsarbeit in soziokulturellen Zentren. Dabei wurde festgestellt, dass insbesondere die Einbindung von Künstler*innen und/oder Kunstpädagog*innen in Projekte der kulturellen Bildung gewinnbringend ist. Als Herausforderung erwies sich der begrenzte Zeitrahmen der Projekte, der durch die festgelegten Förderzeiträume vorgegeben war. Dies war insbesondere bei Kooperationsprojekten mit anderen Akteur*innen wie etwa Schulen problematisch.

Ausbau des Programms

Seit der Förderrunde  2021/2022  wird  das  Förderprogramm  Kulturelle Bildung in der soziokulturellen Praxis zweijährig ausgeschrieben. Damit verbunden ist auch ein deutlicher Mittelaufwuchs. Beides ermöglicht den projekttragenden Zentren eine langfristigere Planung und Verstetigung von kulturellen Bildungsprozessen.

In der Förderperiode 2021/2022 wurden 26 Mitgliedszentren von Soziokultur NRW in dieser Programmlinie unterstützt, im Zeitraum 2023/2024 waren es 22. Die Projekte wiesen dabei eine große künstlerische Spannbreite auf: Von bildender Kunst über Tanz und Musik bis zu Literatur und Theater waren unterschiedlichste Sparten vertreten. Der größte Teil der Projekte war spartenübergreifend angelegt. Viele von ihnen verorteten sich in der Kinderund Jugendkultur, einige verfolgten jedoch auch einen generationsübergreifenden Ansatz. So konnten auch jüngere und ältere Erwachsene als Zielgruppen erreicht werden.

Gelebte Teilhabe

Insgesamt ist bei den geförderten Vorhaben ein sehr hoher Partizipationsgrad auszumachen – zum Teil wurde die Projektformatierung vollständig gemeinsam mit den Zielgruppen entwickelt. Einige Projekte aus der Förderperiode 2021/2022 wurden bedarfsorientiert weiterentwickelt und von der Jury erneut für eine Förderung in 2023/2024 empfohlen. Dies ist sehr sinnvoll, da die Prozesse kultureller Bildungsarbeit langfristig gedacht werden müssen und durch die mehrjährige Förderung auch so angelegt werden können.

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen hat für die Förderperioden 2021/2022 und 2023/2024 jeweils 1 Mio. Euro bewilligt, davon wurden jeweils rund 20.000 Euro für Organisationskosten im Förderprogramm verausgabt.

2021/2022 wurden für die 26 positiv beschiedenen Projektanträge insgesamt 974.000 Euro bewilligt. Das Gesamtvolumen der bewilligten Vorhaben lag bei rund 1,22 Mio. Euro. Eingereicht wurden 34 Anträge mit einer beantragten Fördersumme von insgesamt 1,23 Mio. Euro bei einem geplanten Gesamtvolumen von rund 1,52 Mio. Euro.

In der Förderperiode 2023/2024 wurden 28 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 1,53 Mio. Euro eingereicht, davon wurden 1,23 Mio. Euro zur Förderung beantragt. Bewilligt werden konnten 22 Vorhaben mit einer Gesamtfördersumme von 980.000 Euro. Das Gesamtvolumen der bewilligten Vorhaben betrug 1,25 Mio. Euro.

Konzeptförderung

Die Konzeptförderung unterstützt seit 2006 soziokulturelle Zentren bei der (Weiter-)Entwicklung ihrer künstlerischen Schwerpunkte und der Professionalisierung bestehender Strukturen. Bis zu 50.000 Euro werden dabei pro Förderjahr ausgeschüttet. Dadurch kann festes Personal zumindest in dieser Zeitphase für eine qualitativ hochwertig angelegte Betreuung des Projekts gebunden werden, Honorarausgaben können sicher garantiert und Sachkosten in der Planung fest berücksichtigt werden.

Die Konzeptförderung bietet die Möglichkeit, qualitätvolle Arbeit planungssicher umzusetzen. Die Arbeit vor Ort, im Stadtteil, in der Kommune, bei den anvisierten Zielgruppen wird in den meisten Fällen verstärkt sichtbar. Dies trägt bestenfalls dazu bei, dass auch die Kommune sich als Mittelgeberin stärker engagiert.

In den Jahren 2022 und 2023 liefen zwei Förderphasen des Programms parallel: Elf geförderte Einrichtungen befanden sich von Mitte 2020 bis Mitte 2023 in der Förderung und 13 von Mitte 2022 bis Mitte 2025. Die Aufstockung im Landeskulturhaushalt in der Legislatur 2017 bis 2022 hatte eine wiederkehrende Ausschreibung alle zwei Jahre ermöglicht.   In den Jahren zuvor war die Konzeptförderung noch nach jeweils drei Jahren vergeben worden.

Gegenüber der Förderperiode 2020 bis 2023 mit einer bewilligten Gesamtfördersumme in Höhe von 1,46 Mio. Euro wurden die Gesamtfördermittel für die geförderten Zentren 2022 bis 2025 noch einmal erhöht. 1,80 Mio. Euro standen bzw. stehen (Stand 2024) in dieser Förderperiode zur Verfügung. Die Bewilligungen werden von den zuständigen Bezirksregierungen ausgesprochen.

Kooperationen von soziokulturellen Zentren mit kommunalen Kultureinrichtungen

Die Kooperationsförderung von Soziokultur NRW unterstützt die Zusammenarbeit von soziokulturellen Zentren mit kommunalen Einrichtungen, wie Theatern, Archiven, Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, Volkshochschulen oder Musikschulen.

In der Förderperiode 2022/2023 befanden sich neun Kooperationsprojekte in der Förderung. Die Spannbreite der kooperierenden kommunalen Kultureinrichtungen war groß, dementsprechend breit war auch die spartenmäßige Verortung der Projekte: Literatur, politische Bildung, Tanz, Fotografie, Musik sowie Kinder- und Jugendkultur waren vertreten.

Das Programm ist insgesamt ein Erfolgsmodell, die Anzahl der Anträge wächst kontinuierlich. Die Kooperationsprojekte tragen zu einer besseren Positionierung der soziokulturellen Einrichtungen in der lokalen Kulturlandschaft bei. Durch gemeinsame Veranstaltungen und Kommunikation gelingt es beiden Kooperationspartner*innen, neue Publikumskreise anzusprechen und so die eigene Reichweite zu vergrößern.

Für die Jahre 2022/2023 hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen insgesamt 300.000 Euro in dieser Programmlinie zur Verfügung gestellt. Davon wurden rund 293.000 Euro als Weiterleitungsmittel für neun Kooperationsvorhaben bewilligt. Die restlichen rund 7.000 Euro wurden für Organisationskosten aufgewendet. Das Gesamtvolumen der bewilligten Projekte betrug rund 363.000 Euro.

Der Förderbedarf im Bereich Kooperationen ist deutlich höher: Beantragt wurden 14 Kooperationsvorhaben mit einer Gesamtfördersumme von rund 480.000 Euro. Das geplante Gesamtvolumen dieser Projekte lag bei rund 860.000 Euro.

Investitionsförderung

Die Investitionsförderung für soziokulturelle Zentren gehört seit 2019 zum Förderportfolio von Soziokultur NRW. Sie ermöglicht den Mitgliedseinrichtungen, dem Investitionsstau entgegenzuwirken und kontinuierlich an der Instandhaltung wie auch der Erneuerung und Modernisierung der technischen und räumlichen Ausstattung zu arbeiten.

Die Schwerpunkte der geförderten Maßnahmen lagen im Berichtszeitraum in der Anschaffung von Ton- und Lichttechnik (hier insbesondere auch in der Umstellung auf nachhaltigere LED-Beleuchtung), Bühnentechnik sowie Ausstattung von Arbeits- und Seminarräumen oder Büros.

Im Jahr 2022 hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW insgesamt 203.000 Euro für die Investitionsförderung zur Verfügung gestellt. Ein kleiner Anteil der Landesmittel wurde für Organisationskosten eingesetzt. Mit 202.000 Euro wurden insgesamt 45 Investitionsmaßnahmen gefördert. Das Gesamtvolumen der geförderten Maßnahmen betrug rund 265.000 Euro.

2023 standen 218.000 Euro für das Programm zur Verfügung. Damit wurden Maßnahmen in 53 Zentren mit einer Gesamtfördersumme von 215.400 Euro unterstützt, die restlichen Mittel wurden für Organisationskosten bei Soziokultur NRW eingesetzt. Das Gesamtvolumen der geförderten Projekte betrug rund 292.400 Euro.

Der hohe Bedarf im Bereich Investitionsförderung lässt sich an der insgesamt beantragten Fördersumme ablesen: 2022 wurden 47 Anträge eingereicht mit einem beantragten Fördervolumen von insgesamt rund 369.000 Euro. 2023 wurden 59 Anträge eingereicht mit einer Gesamtfördersumme von rund 401.500 Euro. Dies unterstreicht die anhaltend hohe Relevanz des Programms.

Dieser Text ist ein Auzug aus dem Jahresbericht 2022/23 von Soziokultur NRW. Er steht zum Download zur Verfügung und kann in gedruckter Form bestellt werden per Mail an lag@soziokultur-nrw.de.