Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 169 der Kulturpolitischen Mitteilungen (Wiedergabe hier mit freundlicher Genehmigung des Autors).

Der Veranstaltungskalender für März war bis auf den letzten Termin gefüllt mit Konzerten, Lesungen, Kabarett, Poetry Slam, Workshops, Diskussionsveranstaltungen und Partys. Auch wir haben den Versicherungen des Gesundheitsministers Spahn geglaubt, dass alles irgendwie unter Kontrolle sei. Die Berichte einer ex-Kollegin aus Mailand machten die Runde, aber so richtig glauben wollte es niemand. Und dann ging alles ganz schnell: Bei der Aufzeichnung der WDR-Kabarett-Nacht am 12.3. gab es trotz „Ausverkauft“ schon einige freie Plätze und am nächsten Tag berieten wir im Team schon über die Absage eines Konzertes am nächsten Tag, was uns allerdings eine hohe Ausfallgage gekostet hätte. Kurz vor Mitternacht dann die Einigung mit der Agentur und Absage aller Veranstaltungen bis auf Weiteres.

Der Schock saß, vor allem bei den Kolleg*innen, die hinter der Theke, an der Kasse, als Techniker oder Security im zakk arbeiten. Von einem auf den anderen Tag waren alle Jobs weg, mit denen bisher mehr oder weniger gut das Studium, die künstlerischen Ambitionen oder einfach der Lebensunterhalt finanziert wurden. Es war weniger die Angst vor Ansteckung als die Erschütterung des gesamten bisherigen Weltbildes, in dem solche Katastrophen eher die Inhalte von Filmen oder Büchern waren.

Was also tun? Erst einmal Veranstaltungen absagen, mit den Gästen, mit Kooperationspartner*innen kommunizieren, Verschiebungen planen, Bestellungen und Dienstpläne widerrufen. Die Reaktionen beim Publikum waren unterschiedlich, von „wie, Ihr lasst Euch jetzt auch von der Coronapanik anstecken“ bis „… kein Problem, wenn ihr das Konzert verschiebt, gut dass ihr an unsere Gesundheit denkt“.

Als erstes kam die Idee neue Wege der Kommunikation zu gehen, den Menschen zu erklären, was gerade im zakk und der Kulturszene abgeht. Neben den eingespielten Wegen (Homepage, Facebook, Newsletter) gab es den Vorschlag, einen Podcast zu produzieren, um einerseits die Verschiebungen zu kommunizieren, andererseits aber auch die internen Überlegungen und Diskussionen nach außen zu transportieren. Seitdem gibt es die Tonspur, einen wöchentlichen Podcast, mit einfachen Mitteln produziert, über Youtube und Soundcloud abrufbar. Neben den Infos aus dem Zentrum immer auch ein/e Gesprächspartner*in aus unserem Umfeld.

Die zweite Idee wurde von Kooperationspartnern, der Straßenzeitung fiftyfifty und der Altstadt Armenküche an uns heran getragen. Wegen der plötzlichen Einstellungen der Tafeln in der Stadt gab es noch längere Schlangen von Obdachlosen und Bedürftigen bei den Institutionen, die sich noch um sie kümmerten. Da wir einigermaßen zentral in der Stadt liegen, über einen großen Innenhof und eine Außenbühne verfügen, lag es nahe, diese Ressourcen zur Unterstützung bereit zu stellen, zudem wir mit den Kooperationspartnern schon lange vertrauensvoll und gut zusammenarbeiten.

Innerhalb weniger Tage gelang es uns zusammen, sowohl Lebensmittel zu organisieren und Geldspenden einzunehmen als auch ein Team aus wenigen professionellen Gastrokolleg*innen und auch vielen ehrenamtlichen Helfer*innen zusammenzustellen und die improvisierte Tafel vorzubereiten, inklusive Abstandmarkierungen, Mundschutz und ausreichend Desinfektionsmitteln. Schnell erwies sich unserer provisorisches Lager als zu klein, Getränke-Kühlschränke wurden umfunktioniert, mehr Platz musste her und im Handumdrehen verwandelte sich unser Club in ein Warenlager.

Dienstags bis freitags nehmen wir vormittags gespendete Lebensmittel an und kaufen selber dringend benötigte haltbare Ware ein, was gar nicht so einfach war in Zeiten von Hamsterkäufen. Mittags von 13-15 Uhr geben wir sie aus. Jeder der sich anstellt (und manchmal bis zu 2 Stunden wartet), bekommt etwas von dem was da ist ohne Nachweis einer Bedürftigkeit. Wir fragen nur nach dem Stadtteil und ob Alleinverbraucher oder Mitversorger, um ein paar Daten für weitere Planung zu haben. TV und Zeitungen berichteten, wir schafften es mit der Aktion bis in die Süddeutsche. Politiker aller Parteien informierten sich vor Ort und es gab eine große Welle der Sympathie und der praktischen Solidarität. Benachbarte Unternehmen, mit denen wir eher weniger zu tun haben spendeten, auch die Stadt lieferte Lebensmittel, die Aktion Mensch ermunterte uns, einen Antrag auf Unterstützung zu stellen.

Mittlerweile kommen an die 170 Menschen täglich, einige mit Kindern und sogar aus der benachbarten Unterkunft für Geflüchtete werden von der Stadt Menschen hierher geschickt. Ein Ende ist im Moment nicht absehbar, allerdings brauchen wir irgendwann die Räumlichkeiten wieder für Kulturveranstaltungen.

Unsere 3. Idee war, die Teilnehmer*innen unserer Workshops mit kleinen Tutorials ihrer Anleiter*innen zu versorgen, solange die Räumlichkeiten nicht für reale Aktivitäten genutzt werden konnten. Der Moderator unserer Comedy-Nachwuchsshow produzierte eine Online-Ausgabe von „Frischfleisch-Comedy“ und auch unsere Poetry Slam Comunity versorgten wir mit digitalen Angeboten.

Später kam noch mit einem Kooperationspartner ein „Auto-Konzert“ auf dem Parkplatz unseres Nachbarn dazu, was zumindest am ersten lauen Sommerabend mit 30 Wagen gut funktionierte, viel mehr wären auch zu einem „richtigen“ Konzert wohl nicht gekommen. Unsere große Halle konnte eine Crew junger Kreativer nutzen, um dort ihr Set für eine kleine Filmproduktion aufzubauen.

Nebenbei wurden natürlich Anträge auf Soforthilfe, Kurzarbeitergeld (auf das allerdings die studentischen Aushilfen, Minijobber und Soloselbstständige keinen Anspruch haben) und alle verfügbaren Kulturfonds geschrieben, Kollegen und Künstler beraten, ständig gezoomt, geskypt oder versucht dischord zu installieren. Immer noch wird ohne verlässliches Ergebnis die Frage erörtert, wie es denn nun weitergeht. Ein erstes Zwischenfazit lässt sich trotzdem ziehen: Es war gut, einiges versucht zu haben, auch wenn wir eher anderen Menschen als uns selbst helfen konnten. Praktische Solidarität ist einfach ein Wert an sich und in einer Krise umso mehr. Wir alleine können nicht die Welt retten, aber Menschen ermutigen, sich einzusetzen, etwas zu tun. Besser als hilflos auf die überall präsenten Corona Ticker zu starren ist es allemal. Längst nicht alle Streaming- und Online-Formate haben bei den Abrufzahlen die Erwartungen erfüllt, aber es war schon beeindruckend, wie wir auf einmal massenhaft Likes für soziale Aktivitäten bekamen, von einem Publikum, welches sich sonst eher für Konzerte und Events interessiert. Kommunikation gewinnt in Coronazeiten an Bedeutung. Und wir waren mit unserem Angebot präsent in der Stadt, nicht immer an erster Stelle, nicht immer mit der originellsten Idee, aber als verlässlicher Partner, als Ermöglicher und gut vernetzt mit unseren Gästen sowie Kooperationspartnern. Sicherlich lassen sich andere und noch viel bessere Beispiele aus anderen Orten finden, dafür steht Soziokultur, auch oder gerade in Krisenzeiten.