Bericht von der Workshopveranstaltung am 15.01.2020 im zakk

Die soziokulturelle Szene in NRW stellt sich neu auf. Mit Hilfe zusätzlicher Fördermittel aus dem Stärkungspaket des NRW-Kulturministeriums für die Jahre 2020 bis 2023, blicken die soziokulturellen Zentren und Initiativen positiv in die Zukunft. Jetzt ist es möglich, einen Qualitätssprung zu organisieren.

In einem ungewöhnlichen Setting wurde eine neue strategische Ausrichtung im Januar 2020 im Kulturzentrum zakk in Düsseldorf diskutiert. Statt förmlicher Grußworte gab es drei Stunden Dialog  und Debatte auf Augenhöhe: In einem Workshop haben sich Vertreter*innen aus über 40 soziokulturellen Zentren, die Geschäftsstelle der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren NRW e.V. (Soziokultur NRW) und die Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, die gleich sowohl den parlamentarischen Staatssekretär Klaus Kaiser als auch die zuständige Kultur-Abteilungsleiterin Dr. Hildegard Kaluza mitbrachte, über den Generationenwechsel, die kulturell-künstlerische Neuaufstellung und sinnvolle Kooperationen ausgetauscht. Angeregt wurde auch über Digitalisierung, Demokratiebildung und Dritte Orte verhandelt.

Robbie Hillmanns (zakk, Düsseldorf), Ministerin Pfeiffer-Poensgen & Heike Herold (Geschäftsführerin Soziokultur NRW)

Soziokultur NRW hat sich auf diese Situation gut vorbereitet. Sie ist verantwortlich für die Vermittlung der Fördermittel in die Szene und hat eine Kombination aus inhaltlicher Programmatik und Förderinstrumentarium entwickelt. Diese motivieren zur Weiterentwicklung von ca. 70 Mitgliedszentren und bis zu 100 Initiativen, die soziokulturelle Praxis anbieten.

Die neue Fördersystematik besteht aus fünf Programmlinien. Sie helfen dabei, die tatsächliche Situation der Soziokultur zu berücksichtigen und ästhetisch-künstlerische Profilbildung, diversitätsorientierte Personalentwicklung, kulturelle Vernetzung vor Ort und die Verbesserung der technischen Infrastruktur durch Investitionsförderung zu stärken. Allerdings nicht ohne einen Impuls zu setzen. Gerade im Zuge des Generationenwechsels muss sich die Soziokultur gleichermaßen ihrer Errungenschaften (Methoden, Gegenwartsbezug, politisches Bewusstsein, demokratisches Grundverständnis) bewusst sein und sich gegenüber neuen Entwicklungsmöglichkeiten öffnen.

Die Erhöhung der Fördermittel wäre schon gerechtfertigt, um aufzuholen, was in der Szene lange fehlte. Mit Hilfe der Fördersystematik will sie aber weiter kulturelle Impulse setzen und sich ästhetisch-künstlerisch neu aufstellen, ohne die bisherigen Werte aufzugeben. Die demokratische Kultur der soziokulturellen Zentren ist bis heute vom Wissen über die gesellschaftsfördernde Kraft der Kunst geprägt. In der soziokulturellen Arbeit „berühren und überschneiden sich das Ästhetisch-Künstlerische und Sozialpolitische nicht nur, sondern erschaffen ein eigenes Feld …“  (Bettina Messner; Michael Wrentschur). Dieses Feld soll jetzt neu vermessen werden. Der Ansatz ist, dezidiert die Besonderheit der Ästhetik in der Soziokultur herauszuarbeiten, um kulturelle Eigenwerte herauszubilden und um sich damit auf eine neue Ebene der Professionalisierung bzw. Profilierung zu begeben.

Es soll einer konstruktiven Auffassung von Ästhetik nachgegangen werden. Müssen dafür traditionelle Stilgrenzen aufgelöst, mehr medienspezifische Produktions- und Rezeptionsbedingungen entwickelt und Kommunikation und Vernetzung zwischen den Kulturen und Generationen gestärkt werden? Erforscht werden jetzt die „Phänomene(n) von Räumen, Orten, Zeiten, Rhythmen und deren Veränderungen, Verschiebung, Transformationen, Performationen und der Gestaltbarkeit“ (Wolfgang Waldenfels). Eine spannende Ausgangslage, um die besonderen Erfahrungen und den Gegenwartsbezug in der Soziokultur in NRW im Hinblick auf künstlerische Prozesse zu reflektieren und neu in die Gesellschaft einzuschreiben. Ziel ist es, die positive Entwicklung der Stadtgesellschaften und -räume durch stärkere Kommunikations- und Vernetzungsprozesse im Kulturbereich vor Ort zu stärken und zu verbessern.

Die Erweiterung der Fördermöglichkeiten und der neue programmatische Impuls sind von den Zentren sehr gut aufgenommen worden. Beides wird begleitet von einem neu zusammengesetzten Team in der Geschäftsstelle von Soziokultur NRW, das auch die Informations- und Innovationsprozesse dynamisiert. Das Antragsverfahren soll digitalisiert, Nicht-Antragsstellende und Antragstellende identifiziert und besser begleitet, kollegiale Beratung z.B. für den Führungskräftenachwuchs aufgebaut und Programme besser evaluiert werden.

Die Erhöhung der Mittel für die Soziokultur schafft bessere Rahmenbedingungen für die soziokulturelle Praxis in Nordrhein-Westfalen. Sie dient sowohl der Weiterentwicklung von künstlerischen Profilen, ermöglicht mehr Kooperationen mit Künstler*innen, Initiativen und kommunalen Einrichtungen sowie der Implementierung von langfristigen Bildungs- und Kulturkonzepten vor Ort.  Damit ist die Neuausrichtung der Soziokultur in NRW eng verbunden mit der Chance, durch ästhetische Entwicklung und stärkere kulturelle Kommunikations- und Vernetzungsprozesse positive Effekte auf urbane wie ländliche Lebensräume anzustoßen.


Die Förderprogramme von Soziokultur NRW ab 2020 in der Kurzübersicht (detaillierte Informationen zu den Programmen findet ihr auf unserer Förderprogrammseite):

Allgemeine Projektförderung

Die Allgemeine Projektförderung als Basisprogramm richtet sich an alle Einrichtungen, Initiativen der freien Szene und Künstler*innen, die in ihrer kulturell-künstlerischen Produktion soziokulturelle Praxis anwenden. Das sind an gesellschaftlichen Fragen orientierte kulturelle Projekte, die spartenübergreifend und in den Grenzbereichen von kultureller, sozialer und politischer Arbeit angesiedelt sind. Die Offenheit für die Vielfalt von Kulturen, das dynamische Verständnis von Kultur, bei dem sich unterschiedliche kulturelle Einflüsse begegnen und miteinander verschmelzen, prägt die Soziokultur seit den Gründerjahren und soll gestärkt fortgesetzt werden.

Kulturelle Bildung in der soziokulturellen Praxis

Soziokulturelle Zentren sind in besonderer Weise geeignete Orte für Projekte Kultureller Bildung mit unterschiedlichen Zielgruppen. Die offene Struktur der Häuser, die Verankerung vor Ort im lokalen Gemeinwesen sowie die Freiräume in der Kulturarbeit sind gute Ausgangslagen für ästhetische Erfahrungen und kulturell-künstlerische Entwicklungen. Die niedrigschwelligen und nicht-kommerziellen Angebote der Zentren regen zur kreativen Eigentätigkeit an und vermitteln zwischen professionellen Kunstproduktionen und selbstorganisiertem künstlerisch-kulturellem Schaffen.

Investitionsförderung

Kulturell-künstlerische Entwicklungen sind mehr denn je auch von technischen Möglichkeiten abhängig. Zur Steigerung der Attraktivität der Einrichtungen sowie der kulturellen Vielfalt, der Programmqualität und Besucher*innenfreundlichkeit in den soziokulturellen Zentren wird erstmalig ein kleines, aber nachhaltiges Investitionsprogramm aufgelegt.

Kooperationen von soziokulturellen Zentren mit kommunalen Kultureinrichtungen

Die Förderung von Kooperationen von soziokulturellen Zentren mit kommunalen Kultureinrichten, etwa mit Archiven, Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, Volkshochschulen oder Theatern, schafft neue Allianzen und eine Annährung der bislang nicht im intensiven Austausch stehenden Kultureinrichtungen. Intention ist es, die Debatte über das gegenseitige Kunst- und Kulturverständnis für die Herausforderungen einer zukünftigen Kulturlandschaft und darüber auch neue Zielgruppen zu aktivieren. Auswirkungen auf die Offenheit und Attraktivität der Gemeinde sind erwünscht.

Konzeptförderung

Die Konzeptförderung ist das Instrument zur künstlerischen Profilierung der Soziokulturellen Zentren und bietet beste Chancen für die Weiterentwicklung der Kultureinrichtung. Die Besonderheit der Konzeptförderung liegt in der inhaltlichen Ausrichtung, in der Förderhöhe sowie in der drei Jahre überspannenden Förderzusage. Sie ermöglicht die Professionalisierung bestehender Strukturen durch ästhetisch-künstlerische Transformation und Profilbildung, durch Begleitung des Generationenwechsel, diversitätsorientierte Öffnungsprozesse oder durch eine angewandte Besucherforschung.

Fotos: Gerd ter Veen/Soziokultur NRW